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Die Heilige auf dem Hexenfest

Von Annette Bolz

Am 30. April feiert Deutschland den Tanz in den Mai, auch Walpurgisnacht genannt. Doch woher kommt der Volksglaube an die alljährliche Hexen-Orgie? Auf dem Blocksberg findet der Hexensabbat statt. Das Feuer lodert, der Wind braust. Der Pferdeschädel ist die Geige, das Kuhhorn die Trompete. Jemand bläst einer Katze in den Hintern. Zu dieser Musik tanzen die Hexen im wilden Reigen, Teufel mischen sich unter die nackten Leiber - es ist ein orgiastisches Fest.

Thomas Becker, Historiker an der Universität Bonn, glaubt aber nicht, dass die Walpurgisnacht an uraltes heidnisches Brauchtum anknüpft. Vielmehr ist er überzeugt, dass "wir den Mythos der Walpurgisnacht Johann Wolfgang von Goethe zu verdanken" haben. Allerdings - der bekannteste aller deutschen Dichter hatte Vorbilder. Der Name des Walpurgisfestes geht zurück auf eine der ersten christlichen Missionarinnen im damals noch heidnischen Land. Walburga war die Nichte des heiligen Bonifazius. Sie kam aus dem bereits kräftig beackerten England, um den Germanen das Christentum näher zu bringen. Noch heute erinnert die katholische Kirche an den Todestag Walburgas im Jahr 779, denn der 25. Februar gilt als ihr Namenstag.

Der 1. Mai wurde erst mit der Benediktinerin in Verbindung gebracht. Denn gut hundert Jahre nach ihrem Tod erschien Walburgas Geist dem Bischof Otgar von Eichstätt. Angeblich beklagte sie sich über die schlechte Lage ihres Grabes: Sie werde von "schmutzigen Füßen der Werksleute täglich getreten". Der brave Bischof ließ Walburga umbetten, und bei dieser Gelegenheit wurde sie auch gleich heilig gesprochen. Diese Heiligsprechung am 1. Mai, erklärt Thomas Becker, gab dem Fest den Namen "Walpurgisnacht".

Getanzt, gelacht und auch geliebt Aber wie kommt die Heilige zu dem rauschenden und sündigen Hexenfest? Bestimmt nicht durch päpstliches Zutun, denn noch heute spricht die katholische Kirche vom "Walpurgis Unkult". Recht verbreitet ist die Ansicht, am 1. Mai werde ein altes keltisches Fruchtbarkeitsfest gefeiert, das so genannte Beltane. Zu Ehren der Licht-Gottheit Bel wurde vor 2000 Jahren ein Feuer entfacht, getanzt, gelacht und auch geliebt.

Im alten Irland, so berichten Sagen, war Beltane jene Sex-Orgie, bei der sich der König des Landes mit der großen Mutter Natur sexuell verbinden sollte, um so seine Herrschaft zu legitimieren. "Das lässt sich allerdings nicht nachweisen", sagt Historiker Becker. Wissenschaftlich sei "kein direkter Strang" vom keltischen Fest zum Walpurgis-Tanz auszumachen. Ebenfalls nicht belegbar seien "Querverbindungen zu paganen Riten" wie beispielsweise zu denen eines alten, vorkeltischen

Matriarchats-Kultes. "Unholden in ganz Teutschland" Das Bild der "Hänsel-und-Gretel-Hexe", die sich auf dem Besen zum liederlichen Liebessymposion begibt, entstand erst in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, erläutert Thomas Becker. Und, so betont er, diese Hexe war "keine Zauberin". Vielmehr war sie nach Ansicht der Kirche ein Mensch, der sich von Gott abgewandt hatte und einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war. Diese Vorstellung wurde vornehmlich von Dominikaner-Mönchen geprägt. Dem Frauen verachtenden Religionsfanatismus folgten die Hexenverbrennungen.

Der Blocksberg als Ort der Hexenversammlung wurde erst 1669 populär. Der Leipziger Johann Prätorius, kaiserlicher Poet, schrieb in diesem Jahr sein Werk "Blockes Berges Verrichtung", Untertitel: "Unholden in ganz Teutschland". Neben dem Blocksberg - damit meint er den Brocken im Harz - nennt der Dichter auch noch den Rheinstein und die Baumannshöhle im Harz als Treffpunkte für Hexen. Doch es war Goethe, der die Vorstellung vom nur einmal im Jahr stattfindenden Hexensabbat prägte, meint Historiker Becker. Im "Faust" verewigte der Dichter die Walpurgisnacht als die große Jahresversammlung: "Die Hexen zu dem Brocken ziehn, die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün. Dort sammelt sich der große Hauf, Herr Urian sitzt oben drauf." Thomas Becker könnte übrigens gleich mittanzen: Er feiert in der Walpurgisnacht seinen Geburtstag.

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